Ganze sechs Wochen musste der in den vergangenen Monaten oft und viel gelobte Waldbadexpress auf diesen einen erlösenden Moment warten. Nach sechs, vor allem psychisch schwer zu verarbeitende Wochen war es dann am vergangenen Sonntag soweit: Dank des 3:0-Erfolgs beim SC Hicret stehen die langersehnten ersten Punkte in der Bezirksliga auf der Habenseite!
Entgegen unserer eigenen fußballerischen Grundidee, den Ball eher laufen zu lassen und über schnelles Offensivspiel zum Erfolg zu kommen, bot der große Ascheplatz am Gleisdreieck nicht unbedingt die ideale Grundlage dafür. Wenn man in den beiden vergangenen Trainingswochen aber eine signifikante Veränderung visuell wahrnehmen konnte, dann, dass es auch untereinander mit einer gesunden Portion Agressivität durchaus zur Sache gehen konnte. Dies wiederum bot genau die richtige Grundlage, um der erfahrenen Bezirksliga-Elf des SC Hicret auf dem ungeliebten Untergrund mit den Grundtugenden Laufbereitschaft, Einsatzbereitschaft und nicht zuletzt dem unbändigen Willen mehr als nur Paroli bieten zu können.
Vor Felix Winkler, dem wieder einmal sicheren Rückhalt im Senner Gehäuse, bot das Trainer-Duo Wahsner/Lyko mit Rechtsverteidiger Massimo Zanghi, dem Innenverteidiger-Duo Gian-Luca Linstromberg und Stefan Dopheide, sowie dem Linksverteidiger Marcel Landgraf zwar eine im Vergleich zur Vorwoche veränderte, aber dieses Mal kaum zu überwindende Viererkette auf. Die zweite Kette im Mittelfeld bestand aus der Doppel-Sechs Ole Gruner und Michel Dennin, sowie der Flügelzange Simon Czernia und Luka Marquardt. In vorderster Front liefen Timon Finger und Spielführer Malte Gruner auf, der mit seinen drei Treffern am Ende der 90 Minuten zum Spieler des Spiels avancieren sollte.
Wie geht man eine Partie an, wenn man als Tabellenschlusslicht mit null Zählern zu einer äußerst unangenehmen Auswärtsaufgabe reisen muss? Entgegen dem Credo zur Vorwoche mit einem frechen Auftritt von Minute eins. Natürlich lag die Priorität, ähnlich wie in der Vorwoche, auf einer stabilen und geordneten Defensive, um nicht in’s offene Messer zu laufen. Im Vergleich dazu einigte man sich aber gleichzeitig darauf, die Abwehrkette der Gastgeber anzulaufen und so frühzeitig unter Druck zu setzen. Einzelne kleine Szenen zeigen, dass in diesem Spiel physisch und psychisch eine ganz andere Senner Elf auf dem Platz steht. Ob es Ole Gruner’s Grätsche (!) an der Außenlinie ist, einer von Timon Finger’s zahlreicher erlaufener Bälle, Gian-Luca Linstromberg’s x-tes gewonnenes Kopfbalduell oder die gute Kommunikation innerhalb der Mannschaftsteile – bereits in den ersten 30 Minuten deutete das Waldbad-Ensemble an, dass in dieser Partie mehr als nur ein Punkt drin ist.
Die vielleicht spielentscheidende Szene ereignet sich in Minute 34, mit der die Kicker vom Waldbadexpress die Weichen gleichzeitig in Richtung Auswärtssieg stellen sollten. Im Anschluss an eine Ecke ist es Innenverteidiger Stefan Dopheide, der den Ball aus rund acht Metern am Torwart vorbei auf das Gehäuse der Gastgeber drischt. Als die ersten Senner Arme bereits zum Jubeln in Richtung Bielefelder Himmel gehen, klärt Hicrets Spielführer den Ball als letzter Mann mit dem Oberarm auf der Torlinie. Die Folge: Doppelbestrafung = Platzverweis und Strafstoß für den TuS 08! Kapitän Malte Gruner übernimmt Verantwortung und schiebt das runde Leder bei sommerlichen 24 Grad eiskalt im rechten unteren Eck ein. 1:0 Senne!
In numerischer Überzahl bietet der große Ascheplatz dem Waldbadexpress nun mehr Räume, die zum cleveren Kontern genutzt werden können. Mit einem Tempogegenstoß belohnt sich die in blau gekleidete Wahsner-Elf noch vor der Pause mit einem zweiten Treffer für eine couragierte Leistung. Einer von vielen Ballgewinnen in der eigenen Hälfte landet bei Rechtsaußen Luka Marquardt, der den einlaufenden Malte Gruner erspäht und den Ball in die Spitze durchsteckt. Gruner sieht sich im eins gegen eins dem Hicret-Schlussmann gegenüber, knickt leicht nach rechts ab, dreht sich um die eigene Achse und erspäht die Lücke am verwaisten langen Pfosten, wo der Ball dank eines gefühlvollen Abschlusses im Netz einschlägt. 2:0 Senne, Halbzeit!
Ein in dieser Saison bis dato noch nicht da gewesenes Glücksgefühl, gepaart mit einer großen Euphorie, liegt in der Halbzeitpause in der Kabinenluft. Emotionale Kurzansprachen und klare, ordnende Worte geben die Richtung für Durchgang Zwei vor, in der man den Sack mit einem dritten Tor zumachen will. In Unterzahl suchen die Gastgeber nach dem Seitenwechsel ihr Glück insbesondere in langen Bällen auf den bulligen Stürmer, der über die gesamte Spieldauer aber zu keiner Sekunde von den beiden stark aufspielenden Innenverteidigern Stefan Dopheide und Gian-Luca Linstromberg aus dem Auge verloren wird.
Im Gegensatz zu den Gastgebern, die sich keine richtig zwingende Aktion mehr erspielen können, kommt der Waldbadexpress in schnellen Umschaltmomenten immer wieder in’s rollen. Die Überzahl bietet gleichzeitig große Räume für einige Kontersituationen, die lange Zeit leider ungenutzt bleiben und das Spiel so bis zehn Minuten vor dem Abpfiff noch einem Resthauch an Spannung verleihen. In Minute 82 ist es dann aber ein weiteres Mal Malte Gruner, der den ersten Dreier mit seinem dritten Treffer endgültig unter Dach und Fach bringt. Wieder einmal profitiert der TuS von einem Ballgewinn, der im zentralen Mittelfeld bis tief in die gegnerische Hälfte vorgetragen und am Ende mit einem Pass in die Spitze zu Malte Gruner und einem cleveren Abschluss später veredelt wird. 3:0 – Schluss, Aus, Ende.
Drei kleine, für die erneut zahlreichen Senner Anhänger sehr wahrscheinlich sogar unscheinbar wirkende Szenen, sollen an dieser Stelle allerdings nicht verschwiegen werden. Die Einwechselungen von Henrik Eckseler, Dennis Ambrosius und Florian Helmke, die innerhalb der letzten 30 Minuten in die Partie geworfen worden sind, stehen stellvertretend für einen wichtigen Punkt in unserem Senner System: Mannschaftsdienlichkeit. Es ist absolut nicht selbstverständlich, dass man sich im Anschluss an die Vorlesungen und Prüfungsvorbereitungen in der Universität oder die langen Arbeitstage drei (!) Mal in der Woche für keinen einzigen Cent zum Platz begibt, um sich für den kommenden Sonntag den Allerwertesten aufzureißen. Noch weniger selbstverständlich ist es dann aber, nicht mit einem Startelf-Einsatz belohnt zu werden und sich trotzdem, ohne großes Murren, auf die Bank zu setzen und seine Teamkollegen und Freunde so von draußen zu unterstützen – großes Kino! Dies gilt natürlich für Alle, ob Nummer eins oder 18!
Da ist er also, der erste Saisonsieg. Ja, es fühlt sich gut an, sich selber endlich zu belohnen. Und ja, wir genießen diese kurze Momentaufnahme insbesondere aufgrund der psychisch zermürbenden Wochen zuvor für einen kurzen Augenblick. Dennoch wäre es fatal zu glauben, dass es nun jeden Sonntag so laufen wird. Wir sind zwar jung, aber dennoch clever genug, um einschätzen zu können, dass es nur so geht, wie am Sonntag. Es stand eine Mannschaft, eine Einheit auf dem Platz, die das Vorhaben umgesetzt und sich gegenseitig zu Höchstleistung angetrieben hat. Ab Dienstag heißt es dann erneut, das Feuer und den Willen im Training zu entfachen, um den Fokus auf die nächste Aufgabe am kommenden Sonntag zu richten.