Die „Gnadenlosen“ – Waldbadexpress schenkt Oerlinghausen sieben Dinger ein!

(sm) In einem trotz des Endresultats unfassbar packenden und mindestens ebenso hochintensiven Bezirksligaduell hat der heimische Waldbadexpress den lippischen Nachbarn vom TSV Oerlinghausen auf dem Kunstrasenplatz am Waldbad durch Tore von Malte Gruner (4x) Matthes Schwabedissen, Simon Czernia und Gian-Luca Linstromberg mit 7:3 besiegt.

Ich darf mich, wenn auch an dieser Stelle bzw. in Bezug zur „Senner Ersten“ nur vertretungsweise, bei Euch zurückmelden, liebe Leser und Interessierte rund um den wohlmöglich ältesten „Blog“ im Bielefelder Amateurfußball. Einige von Euch haben mich persönlich im letzten halben Jahr eng begleitet und können sich sicher vorstellen, dass es sich für mich ein wenig komisch anfühlt, mich nun wieder dem „Werk“ um den großen TuS 08 zuzuwenden, den ich natürlich, trotz der Distanz, nie aus den Augen verloren habe – wie könnte ich nach den vergangenen 16 Jahren und dem hochdramatischen 2019 auch? Aber darüber will ich nun nichts weiter verlieren, denn es gilt sich den Hauptprotagonisten, der Mannschaft des Waldbadexpresses und dessen Verantwortlichen zuzuwenden, die seit Sommer Woche für Woche Senner Fußballgeschichte schreiben!

Wintervorbereitungen sind „eine Sache für sich“, weiß man auch am Senner Waldbad. Dementsprechend verwundert es auch kaum, wenn ich konstatiere, dass die Überraschungsmannschaft der Bezirksliga Staffel 02 aus dem Bielefelder Süden eine insgesamt durchwachsene Vorbereitung zur Rückserie der laufenden Spielzeit absolviert hat. Die meisten der zahlreichen Testpartien wurden mit vergleichsweise kleinem Kader bestritten, häufig fehlten zahlreiche Akteure aus unterschiedlichen Gründen, am Ende musste sogar ein Test aus Personalnot abgesagt werden. Sei es, wie es sei – verfolgt man den inzwischen gläsernen Lokalfußball auf den einschlägigen Online-Portalen, darf man feststellen, dass es nicht nur unserem heißgeliebten Waldbadexpress so geht bzw. ging, sondern auch ganz andere Kaliber mit denselben Erscheinungen zu kämpfen haben. Als sehr wenig karnevalsaffiner Betrachter, kann ich auch der Entscheidung wenig abgewinnen, die Rückwunde so früh einzuläuten, um eine Woche später, am Karnevalswochenende, dann eine Spielpause einzulegen, aber auch hier – „Don’t fight the System!“

Mike Wahsner konnte zwar insgesamt auf eine über einen längeren Zeitraum gut eingespielte Startelf zurückgreifen, musste aber dennoch neben Co-Trainer Christian Lyko einige Akteure verletzungs- oder verhinderungsbedingt abschreiben, die sicher der Breite des Kaders und damit dem Bauchgefühl des Trainers gutgetan hätten. So kam Jan Partmann im Senner Tor zu seinem zweiten Saisoneinsatz und zeigte sich in zahlreichen Situationen in Bestform! Gian-Luca Linstromberg stellte zusammen mit Stefan Dopheide die Innenverteidigung, die von Publikumsliebling Marcel Landgraf und dem Senner „Gennaro Gattuso“ – Massimo Zanghi auf den Außen flankiert wurde. Zentral auf der Sechs agierte Regisseur und „Zauberfüsschen“ Michel Dennin zusammen mit Tackling-Gott Ole Gruner, der jedoch zur Pause verletzt ausscheiden und durch den glänzend aufgelegten sowie agilen Frank Rott ersetzt werden musste. Die überragende Flügelzange der vergangenen Spielzeit, Matthes Schwabedissen und Simon Czernia gaben ihr 2020-Debüt auf den angestammten Positionen, Czernia traf spät, Schwabedissen bereitete zwei Senner Treffer großartig vor und erzielte einen selbst. In der Offensive ergab sich mit Ausnahmetalent Malte Gruner (diesmal mit Haarband) und dem perfekt „eingesennerten“ Cem Beyer ein hochagiles und vor dem Tor humorloses Sturm-Duo, das die Tücken und schwierigen Bedingungen des kleinen Senner Geläufs optimal für die Spielweise des eigenen Teams auszunutzen verstand. Als Alternativen standen „Goldfuß“ Florian Helmke, Florian Krogmann, Dennis Ambrosius, Henrik Eckseler und der bereits erwähnte Frank Rott zur Verfügung.

Da der TSV angekündigt hatte, die verlustfreie Senner Serie zu beenden, war abzuwarten, wie die Partie auf dem Minimalmaß-Platz am Senner Waldbad verlaufen würde, nachdem die Verantwortlichen der Stadt Bielefeld den Rasenplatz am Waldbad bei einer letzten Begehung am Freitag für den Spielbetrieb gesperrt hatten. Auch die Senner gingen trotz des „Heimvorteils“ mit gemischten Gefühlen in das Match, denn eigentlich kommt der Platz mit seiner berühmt-berüchtigten Enge und Kürze der Senner Spielweise keineswegs zu Gute, das aber nur am Rande, denn die diesbezüglichen Diskussionen sind am Ende vertane Liebesmüh.

Die Gäste zeigten sich von Beginn an als physisch robuste Truppe, die keinen Zweifel daran ließ, dass sie sich trotz aller Umstände und stürmischen Wind einiges für den Rückrundenauftakt ausrechnete. So waren die Grün-Schwarzen auch optisch im ersten Durchgang das spielbestimmende Team, ohne jedoch aus dieser Variable wirkliches Kapital zu schlagen. Das taten hingegen die Senner, die jede noch so minimale Gelegenheit durch Unsicherheiten und Stellungsfehler zu wittern schienen und viele richtige Entscheidungen mit einer glänzenden Fähigkeit im Team-Play zu antizipieren, in Zählbares ummünzten. Die Gäste versuchten gar nicht erst Fußball zu spielen, was sicher eine nachvollziehbare Entscheidung darstellt, sondern suchten ihr Heil darin, permanent Standardsituationen, wozu ja quasi jeder Einwurf zehn Meter hinter der Mittellinie zählt, zu generieren. Die Senner hingegen setzten auf die feine Technik ihrer Offensivakteure und die unwahrscheinliche Geschwindigkeit ihres Highspeed-Duos auf den Außen. Einen äußerst schweren und kaum zu beneidenden Stand hatte dabei der Unparteiische, der in einem äußerst giftig und mit teils expliziter Härte geführten Spiel alle Hände voll zu tun hatte und insbesondere zu Beginn einige Entscheidungen traf, die nicht aus jeder Perspektive nachvollziehbar waren.

Oerlinghausen versuchte hart in Richtung Senner Strafraum zu pressen, um durch die, bei der Enge zwangsläufig entstehenden, Einwürfen und Standardsituationen zu Torraumszenen zu kommen. Nach 90 Minuten waren es sicher zwei bis drei Dutzend wie Eckstöße vorgetragene Einwurf Szenen, mitten rein ins bunte Leben des Senner Sechzehners, die die Gäste zu verbuchen hatten, aber mit den „zwei Türmen“ in der Senner Innenverteidigung, Linstromberg und Dopheide sowie auch dem einen oder anderen gnädigen Einwand des Fußballgottes, überstanden die Waldbadkicker das „Trommelfeuer“ in den eigenen sensiblen Bereich. Erst in den letzten zwanzig Minuten kamen die Lipper per Standards zu Treffern, da war das Match aber insgesamt schon entschieden. Es war allerdings, insbesondere vor dem Hintergrund der pausenlosen Belagerung des Senner Sechzehnmeterraumes, ein „Sahne Tag“ vom furchterregend guten Malte Gruner, der vier von fünf sich ihm bietenden Torchancen, mit gnadenloser Effizienz verwertete. Der Kapitän hat hier einen deutlichen Entwicklungsschritt getan, mit dem er den aufopferungsvollen Defensivkampf seiner Mannschaft vergoldet hat, den er obendrein von vorne angeführt hat. Ich kann mich an Zeiten erinnern, da wäre der gute Senner „Präsi“ Lars Herrmann jetzt noch unterwegs, um die Fehlschüsse des Blondschopfes aus der Senner Botanik zu sammeln – diese Zeiten sind vorbei. So ist es Malte Gruner, der nach einem bilderbuchartig und technisch sehenswert vorgetragenen Angriff über die linke Senner Seite, gegen eine von der Geschwindigkeit und Präzision des Angriffs völlig überraschte Oerlinghausener Mannschaft, zum 1:0 trifft: Michel Dennin hatte – gehaucht wie einen perfekten Handkuss – Marcel Landgraf mit einem gefühlvollen Flugball auf die linke Außenbahn verabschiedet. Landgraf hatte Gruner im Rückraum erspäht, bedient diesen perfekt in den Fuß, sodass Gruner mit einem saharatrockenen Flachschuss direkt neben den rechten Pfosten das 1:0 markiert. Allerdings ließen sich die Gäste durch die frühe Senner Führung mal so rein gar nicht beeindrucken sondern erhöhten weiter den Druck auf die Senner Defensivreihen, die sich jedoch in einem grandiosen Fight mit maximaler Gegenwehr ereiferten. Es entwickelte sich ein hässliches, völlig zerfahrenes Spiel mit pausenlosen Strafraumszenen im und am Senner Sechzehner. Stark, was der Senner Defensivverbund da leistete. Wenn sich dann aber die Möglichkeit für den Waldbadexpress ergab, nach vorne etwas zu machen, dann brannte es sofort lichterloh bei den Gästen: So antizipieren die Senner in der 20. Spielminute geradezu eine kleine Schlampigkeit in der Oerlinghausener Hintermannschaft und sofort geht die Post ab. Gruner und Beyer gewinnen aggressiv den Ball, schnelles direktes Spiel über zwei Stationen, Vorhergabe, Matthes Schwabedissen scheitert in einem ersten Abschlussversuch, aber Gruner ist zur Stelle und drückt die Kugel zum 2:0 über die Linie. Die ganze Mannschaft wirkte trotz der pausenlosen Defensivaktionen höchst präsent und bereit, sodass auch das 3:0, nur eine Minute später, ein weiteres Mal die Ausnutzung eines minimalen Fehlers in der Gästeabwehr darstellt. Dieses Mal wird der blendend aufgelegte Matthes Schwabedissen über rechts alleine auf die Reise geschickt, ist mit seiner unglaublichen Geschwindigkeit sofort entfleucht und lässt dem Oerlinghausener Keeper im eins-gegen-eins keine Abwehrchance – 3:0 Senne, Oerlinghausen stürmte, aber Senne traf! Die fehlenden 25 Minuten bis zum Pausentee sind nichts für Fußballästheten und Senne-Fans. Oerlinghausen schnürt das Waldbadensemble mit unnachgiebigen Druck hinten ein, die Senner sind sie mal in Ballbesitz, geben das Leder viel zu schnell und teils überhastet wieder Preis, sodass es beim unnachgiebigen Trommelfeuer in Richtung Senner Gehäuse bleibt. Irgendwann sind die Senner dann nach einem durchaus unnötigen Ballverlust in der Offensive fällig: Der TSV spielt einen langen Flugball auf den Rechtsaußen, Landgraf verliert, und das hat Seltenheitswert, eines seiner Laufduelle, im eins-gegen-eins ist Keeper Partmann chancenlos und es steht nur noch 3:1. Dabei gehört erwähnt, dass die Gäste mit ihren Einwurf-Standards gleich zweimal den Querbalken touchieren – aber Glück muss man sich erarbeiten und das tat diese Senner Elf aufrichtig. Ich komme dabei auch nicht umhin, die wirklich grandiose Performance der Senner Innenverteidigung und insbesondere des Senne-Rückkehrers Gian-Luca Linstromberg hervorzuheben, denn es war wahrliche Schwerstarbeit, die dort verrichtet wurde. Kurz vor dem Pausentee rettete der hochgewachsene Linstromberg ein eins-gegen-drei gegen die Gäste und vereitelte damit überragend den Anschluss der Lipper – Ehre, wem Ehre gebührt!

Die Halbzeit verschaffte eine der ganz wenigen Verschnaufpausen während dieser hochintensiven Partie, die die gut und gerne 150 Zuschauer für eine Erfrischung oder eine der ersten Freiluft-Bratwürste des jungen Jahres nutzten.

Der zweite Durchgang setzte zwar mit dem Versuch der Gäste fort, per Standard endlich zum Torerfolg zu kommen, aber die Senner stellten in den zweiten Fünfundvierzig zunehmend das bessere und ohnehin effizientere Team, wenngleich sich Jan Partmann im Senner Tor gleich mehrfach als sicherer und souveräner Schlussmann bewies. Außerdem musste Tackling-Star Ole Gruner das Grün mit einem stark geschwollenen Fuß räumen, hoffen wir, dass sich die Befürchtungen eines Bruches nicht bewahrheiten, aber das sah schon wirklich alles andere als gut aus. Senne, mit einem sofort in den Kampf mitziehenden Frank Rott, immer besser und Oerlinghausen zunehmend verzweifelt und mit schweren Abstimmungs- und Stellungsfehlern vor allem beim Senner Mittel der Wahl, vom Rückenwind beflügelten langen Bällen. So schickt Jan Partmann den Torjäger vom Dienst, Malte Gruner, nach einem abgefangenen Einwurf per sensationell getimten Abstoß auf die Reise, der Oerlinghausener Verteidiger verschätzt sich beim durch eine Windbö beflügelten Leder, Gruner bricht durch und vollendet einmal mehr mit gnadenloser Effizienz nun zum 4:1. Der nächste Senner Treffer, knapp eine Viertelstunde nach der Pause ist der erste wirklich wahrnehmbare Wirkungstreffer bei den Gästen, die sich dennoch über 90 Minuten unnachgiebig wehren und stets dranbleiben. Aber jetzt klappt auch noch alles bei den Waldbadkickern, die in der zentrale um Dennin und Rott sowie Dopheide und Linstromberg kompakt und offensiv schnell umschaltend stehen. Wieder wird Matthes Schwabedissen bilderbuchartig auf diesem engen Geläuf geschickt, wieder produziert der Senner Außenrenner eine Bilderbuchvorhergabe, die der Top-aufgelegte Gruner nur noch zu verwerten braucht, und es steht 5:1. Kurz zuvor hatten die Gäste einen eigenen Akteur verletzungsbedingt auswechseln müssen, die Szene ohne Gegnereinwirkung sah nicht gut aus, wir wünschen von hier aus alles Gute und baldige Genesung! Zwanzig Minuten vor dem Ende rutscht den Sennern eine Ecke durch, die am langen Pfosten zum 5:2 genutzt wird. Würde hier nochmal etwas gehen, für die nie aufsteckenden Lipper?

Die Antwort präsentierten Cem Beyer und Simon Czernia, die davon profitierten, dass sich Malte Gruner auf dem Rückweg in die eigene Hälfte befand und somit lediglich passiv abseits stand, als Cem Beyer über rechts Außen geschickt, die nächste Traumvorhergabe der Blauen an diesem Spieltag produziert, die Simon Czernia, der insgesamt nicht in der überragenden Form der vergangenen Saison stattfand, nur noch einzuschicken braucht – 6:2. Jetzt, nach über 70 Minuten Full-Contact Fußball geht allmählich etwas die Spannung aus der Partie und es wird insgesamt auf beiden Seiten etwas ungenauer gearbeitet, wodurch Jan Partmann einige Male für seine Mitspieler retten muss. Tatsächlich gelingt den Gästen fünf Minuten vor Ende der offiziellen Spielzeit ein weiterer Treffer, aber auch der Waldbadexpress ist noch nicht durch und behält sich den insgesamt 10 Treffer in diesem munteren Treffer selber vor: Gian-Luca Linstromberg veredelt seine über 90 Minuten überragende Abwehrleistung mit einem Volleytor, leicht abgefälscht zum 7:3, den hatte sich der Heimkehrer des goldenen 92er Jahrganges mehr als verdient, dieses Spiel wurde trotz der wahnsinnig guten Effizienz in der Offensive vor allem in einer zermürbenden Abwehrschlacht mit gut und gerne 15 Minuten Netto-Spielzeit im Senner Strafraum gewonnen.

Eine überragende Teamleistung ihrer Mannschaft sowie ausgezeichneter Individualkönner durften die zahlreich erschienenen Senner Zuschauer an diesem stürmischen Sonntag am Senner Waldbad bestaunen. Für mich persönlich war es sehr ergreifend, mitzuerleben, wie sehr diese Mannschaft Werte und Grundsätze lebt, die in vielerlei Hinsicht repräsentativ für das stehen, was am Senner Waldbad in den letzten fünf Jahren erreicht wurde. Da wird sich mit und füreinander auf dem Platz zerrissen, um die blau-weiße Flagge weiterhin selbst im Sturm wehen zu lassen. Aufopferungsvoller Kampf und Engagement, aber auch spielerisch-technisch höchst sehenswerte Aktionen und Szenen, die einem jeden, der den Weg dieser Jungs aus der Kreisliga B mitverfolgt hat, wie eine Offenbarung vorkommen muss. Ich hoffe und wünsche sehr, dass der immer weiter zunehmende Zuspruch für den Verein, die Fußballabteilung und das Flaggschiff, den Waldbadexpress, sich so weiterentwickeln. Die Zeit ist reif, weitere tiefgreifende Schritte zu gehen, um das Werk dieser großartigen Jungs und ihrer Trainer weiter zu beflügeln. Wir gehen unseren Weg, dieser Weg war auch im 13. Spiel in Folge Erfolg versprechend. Jungs – nur IHR habt es in der Hand, wie dieser Weg weitergeht, aber sicher ist, dass Senne hinter Euch steht!

Man of the Match: Gian-Luca Linstromberg

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